Die positiven Ergebnisse bezüglich der Wirkung von Achtsamkeit auf die Gesundheit in den im vorangeganenen Blog (Wie wirkt Achtsamkeit?) bereits erwähnten Studien mit gesunden Probanden werden auch durch andere Studien aus dem Arbeitskontext bestätigt. Hülsegger et al. schließt aus einer qualitativen Tagebuchstudie und einer experimentellen Feldstudie, dass Achtsamkeitstrainings bei Mitarbeitenden beispielsweise die emotionale Erschöpfung verringern und sich positiv auf die Arbeitszufriedenheit auswirken (Hülsheger, Alberts, Feinholdt & Lang, 2013, S. 315). Mitarbeitende in emotional fordernden Beschäftigungsverhältnissen, profitieren von Achtsamkeit durch eine erhöhte Zufriedenheit, was sie vor Burnout und emotionaler Erschöpfung schützt. Hülseger et al. belegen in ihrer Studie diesen Zusammenhang von Achtsamkeit auf die emotionale Erschöpfung, die Arbeitszufriedenheit und damit das psychische Befinden am Arbeitsplatz. (Hülsheger et al., 2013, S. 320)
Im Rahmen einer randomisierten Studie mit 89 Teilnehmenden, zur Wirkung eines sechs Wochen dauernden, online-basierten Achtsamkeitsprogrammes für Beschäftigte eines Chemie Konzerns wurde darüber hinaus ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen individueller Achtsamkeit und Stressreduktion gemessen. Ebenso erhöhte sich die Resilienz und Vitalität bei den Probanden (Aikens et al., 2014, S. 721–731)
Im Rahmen eines Conceptual Papers, in dem Ergebnisse aus der Auswertung von Sekundärdaten aus wissenschaftlichen Artikel zusammengefasst sind, stellt Oly Ndubisi fest, dass Achtsamkeit sowohl für kleine als auch für große Unternehmen ein brauchbares Werkzeug zum Qualitätsmanagement darstellt. Achtsamkeit fördert die Arbeitsqualität. (Oly Ndubisi, 2012, S. 600)
Ein signifikanter positiver Zusammenhang zwischen dem Merkmal Achtsamkeit und der Work-Family-Balance wurde im Rahmen einer Befragung von 131 arbeitenden Elternteilen ebenfalls festgestellt (Allen & Kiburz, 2012, S. 375–376). Individuelle Achtsamkeit fördert auch das Entscheidungsverhalten von Arbeitskräften (Hafenbrack, Kinias & Barsade, 2014, S. 374).
Eine randomisierte, kontrollierte Studie mit 48 Studierenden ergab, dass Achtsamkeitstrainings die kognitive Leistungsfähigkeit, insbesondere das Leseverständnis und das Arbeitsgedächtnis verbessern. Sie vermindern das Abschweifen bzw. Wandern der Gedanken (Mrazek, Franklin, Phillips, Baird & Schooler, 2013, S. 776). Dies könnte sich als hilfreich bei der Bewältigung innerer und äußerer Ablenkungen an modernen Arbeitsplätzen erweisen. Auch die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum zu fokussieren, könnte hilfreich sein. (Chang-Gusko, 2019, S. 16)
Eine Studie, bei der 168 Probanden befragt und an einer qualitativen Tagebuchstudie teilnahmen ergab, dass achtsamere Studienteilnehmende, eine bessere Schlafqualität und geringere Arbeitsbelastung hatten. Auch waren sie erholter (Hülsheger, Walkowiak & Thommes, 2018). Im Rahmen einer Evaluationsstudie eines achtsamkeitsbasierten Trainings für 54 Mitarbeitende in zwei deutschen Konzernen, konnten signifikant positive Zusammenhänge gefunden werden zwischen dem Grad der Achtsamkeit, der Stressbewältigung und der Qualität der Zusammenarbeit. Achtsamkeit und der Grad der „gefühlten Belastung“ waren signifikant negativ korreliert. Der Begriff „Gefühlte Belastung“ ist laut Hiendl ein intrapersonaler Faktor, er entspricht der Bedeutung des Begriffes „psychische Beanspruchung“ nach DIN EN ISO 10075-1 (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2014, S. 21–22). (Hiendl, 2016, S. 226–241)
Führungskräfte können über Achtsamkeitstraining lernen, ihre Aufmerksamkeit besser zu steuern. Dies wird sie zu einem bewussteren Umgang mit sich selbst und anderen führen. Ihre Selbstwahrnehmung steigt und ihre Fähigkeiten, beispielsweise Freude zu kultivieren, werden gestärkt. Das tägliche Denken und Handeln folgt meist unbewussten Automatismen. Dies ist zum einen zweckmäßig, weil solche Routinen vom Nachdenken befreien, was Abläufe verlangsamen würde. Zum anderen besteht bei solchen Automatismen allerdings das Problem, dass es vielleicht angemesseneres Denken und Handeln gibt. „Eine der wichtigsten Früchte der Achtsamkeitspraxis ist es, sich genau dessen bewusst zu werden: Wann bin ich im „Autopilotmodus“ und wann entscheide ich mich, aus der Routine herauszutreten und mein Bewusstsein voll und ganz auf die momentane Situation auszurichten.“ Dieser Schritt eröffnet uns neue Möglichkeiten. (Stephan & Tamdjidi, 2016, S. 399)
Ein von der Unternehmensberatung Kalapa in Unternehmen durchgeführtes Achtsamkeitsprogramm, wurde anhand einer nicht randomisierten Vor- und Nachbefragung evaluiert (Kersemaekers et al., 2018, S. 196). Es zeigte sich eine signifikante Senkung bei den Parametern Burnout, psychologisches Wohlbefinden und Stressempfinden. Die Achtsamkeit, Arbeitsleistung, Produktivität sowie die Kooperation im Team und das Organisationsklima verbesserten sich signifikant. (Kersemaekers et al., 2018, S. 201)
Pauls et al. (Pauls, Schlett, Soucek, Ziegler & Frank, 2016, S. 112) beschreiben in einer Evaluationsstudie für eine webbasierte Achtsamkeitsintervention den Zusammenhang von Achtsamkeit und resilientem Verhalten. Ihre Ergebnisse belegen signifikant, dass eine Steigerung der Achtsamkeit mit einer Zunahme von resilientem Verhalten einhergeht. In der gleichen Studie wurde gezeigt, dass die Zunahme des resilienten Verhaltens wiederum mit einer Reduktion der emotionalen Erschöpfung verbunden war. Pauls et al. konnten zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Achtsamkeit und emotionaler Erschöpfung durch resilientes Verhalten vermittelt wurde. Der entgegengesetzte Einfluss von resilientem Verhalten auf die emotionale Erschöpfung belegt die gesundheitsfördernde Wirkung von resilientem Verhalten im Arbeitskontext. Resilientes Verhalten wiederum wurde durch die Achtsamkeitsinterventionen gefördert.
Soucek et al. (Soucek, Ziegler, Schlett & Pauls, 2018, S. 132) zeigen in einer empirischen Studie mit 172 Teilnehmenden ebenfalls einen signifikant positiven Zusammenhang von individueller Achtsamkeit auf resilientes Verhalten. Außerdem belegen sie einen indirekten Einfluss von Achtsamkeit auf die psychische Beanspruchung und das Arbeitsengagement. Dadurch wird gezeigt dass individuelle Achtsamkeit psychische Beanspruchung vermindert, was die Ergebnisse bisheriger Studien, beispielsweise von Brown und Ryan (Brown & Ryan, 2003, S. 829–830), bestätigt. Resilientes Verhalten spielt hierbei eine vermittelnde Rolle. (Soucek et al., 2018, S. 135)
Im Rahmen einer Studie zur Evaluation von 6 Achtsamkeitstrainings mit 68 Teilnehmenden in verschiedenen Unternehmen zeigte sich ein signifikant positiver Zusammenhang von individueller Achtsamkeit und Arbeitsengagement. Grundlage des Trainingsdesign war das von John Kabat Zinn entwickelte MBSR-Programm. (Leroy, Anseel, Dimitrova & Sels, 2013, S. 242–243). Dieser positive Effekt auf das Arbeitsverhalten könnte darauf zurückzuführen sein, weil im Arbeitskontext beobachtete Probanden mit hoher individueller Achtsamkeit, Stress positiver bewerten und auf Stressauslöser, weniger Vermeidungsverhalten bzw. vermeidendes Coping zeigen (Weinstein, Brown & Ryan, 2009, S. 374–385). Auch die Studie von Dane und Brummel bestätigt die Hypothesen, des positiven Zusammenhanges mit dem Arbeitsengagement. Darüber hinaus sind Achtsamkeit und Arbeitsleistung signifikant miteinander korreliert. Außerdem wurde belegt, dass bei Mitarbeitenden mit hoher Achtsamkeit die Absicht den Arbeitsplatz zu wechseln, niedrig war, et vice versa (Dane & Brummel, 2014, S. 119). Eine weitere plausible Erklärung für den Zusammenhang von Achtsamkeit und Arbeitsleistung liegt darin, dass Mitarbeitende die weniger Stress erleben, bei gleichbleibender Belastung, eine niedrigere Beanspruchung erfahren und sich deshalb besser konzentrieren können. Dies wiederum kann sich positiv auf die Produktivität und die Aufgabenerledigung auswirken. (Martin & Steffens, 2016, S. 370)
Bei der Diskussion der Wirksamkeit von MBSR werden von einigen Autoren, (Ott, 2010, S. 165) vor allem bei älteren Studien die unbefriedigende Datenlage und die niedrige methodische Qualität der Studien kritisiert. Grossman et al. diskutiert dies in seiner Metaanalyse. So wurden in kontrollierten Studien Werte, die auf Interferenzen zwischen Studien und Kontrollgruppe hinweisen nicht ausreichend erklärt, es wurden nur die kurzfristigen Effekte, gleich nach der Intervention gemessen und keine Nachhaltigkeit geprüft, schließlich fehlten Informationen, beispielsweise über das Interventionsdesign oder parallele Interventionen (Grossman, Niemann, Schmidt & Walach, 2004, S. 39–40). Baer kritisiert in seiner Metastudie, dass viele Studien ohne Kontrollgruppe durchgeführt wurden. Bei Studien mit Kontrollgruppen wurden neben den achtsamkeitsbasierten Interventionen auch andere medizinische Behandlungen parallel durchgeführt, beispielsweise physikalische Therapie, Schmerztherapie, die Gabe von Schmerzmitteln bzw. Antidepresiva. Baer stellte darüber hinaus fest, dass bei einigen Studien die Stichproben zu klein waren um im Rahmen eines t-Test, die Stärke von Wirkungseffekten bzw. die Effektstärke d nach Cohen adäquat ermitteln zu können (Baer, 2003, S. 139–140).
Einen Überblick über den Forschungsstand zu den Effekten von MBSR (Kabat-Zinn, 2010) im Unternehmenskontext, der die unterschiedliche Qualität der Studien berücksichtigt, gibt Janssen et al. (Janssen, Heerkens, Kuijer, van der Heijden & Engels, 2018). Er wertet in seiner Sondierungsstudie die Ergebnisse von 23 randomisierten und quasi-randomisierten Studien aus. Durch ein erstes Bewertungsverfahren das vom „Dutch public health institute Kwaliteitsinstituut voor de Gezondheidszorg“ stammt, wurden die Studien dabei mit Hilfe von neun Qualitätskriterien in Qualitätsklassen eingeteilt. Studien wurden als ‘high quality’ klassifiziert, wenn auf sie 7 oder mehr dieser Kriterien zutrafen. Zu ‘medium quality’ wurden Studien zugeordnet bei 5 oder 6 Kriterien, Studien wurden als ‘low quality’ klassifiziert, wenn sie 4 oder weniger dieser Kriterien genügten (Janssen et al., 2018, S. 18–19). Diesem ersten Bewertungsverfahren zufolge entsprachen zwei der ausgewerteten Studien der Klasse ‘high quality’, 15 waren ‘medium quality’ zugeordnet und sechs ‘low quality’ (Janssen et al., 2018, S. 20)
Janssen et al. ermittelte, darüber hinaus auf welchem Niveau Evidenzen bzw. Signifikanzen für die erforschten Effekte in den Studien vorlagen und ordnete daraufhin die Studien in einem zweiten Assessment verschiedenen Levels zu, die sowohl die oben aufgeführte erste Klassifikation berücksichtigten als auch die Evidenzen der einzelnen Studien. Dadurch entstanden folgende Qualitätsklassen.
Studienergebnisse wurden dem Level 1 (‘there is evidence for . . .’ / ‘it has been proven that . . .’) zugeordnet, wenn mindestens zwei ‘high quality’ (Klassifikation - siehe oben) randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) Signifikanz zwischen Gruppen zeigen „(change in Target Group versus change in Contol Group)“. Ein Ergebnis wurde Level 2 (‘it is plausible that . . .’) zugeordnet, wenn mindestens zwei ‘medium quality’ RCTs Signifikanz zwischen zwei Gruppen zeigen. Studienergebnisse wurden Level 3 (‘there are indications that . . .’) zugeordnet, wenn mindestens eine one ‘medium quality’ RCT Signifikanz zeigte. (Janssen et al., 2018, S. 19)
In Janssens Sondierungsstudie erreicht keine der eingegangenen Studien das höchste Qualitäts- bzw. Evidenzniveau Level 1. Es gab jedoch 15 Studien von Level 2 und 6 Studien im Level 3. (Janssen et al., 2018, S. 19)
Die folgende Aufzählung enthält die gemessenen Effektgrößen der Studien und das von Janssen ermittelte Qualitätsniveau bzw. Level. (Janssen et al., 2018, S. 20)
- Achtsamkeit. In 14 Studien wurde individuelle Achtsamkeit gemessen. „In summary, it is plausible that MBSR significantly increases the amount of mindfulness” (Level 2).
- Burnout. In neun Studien wurden die Effekte von MBSR auf Burnout Symptome gemessen. „In summary, it is plausible that MBSR results in increased (job-related) personal accomplishment and decreased burnout in general and emotional exhaustion” (Level 2).
“There are indications that MBSR causes a decrease in depersonalization (cynicism and lack of empathy)” (Level 3).
- Stress level. Es wurden 9 Studien zum Stresslevel ausgewertet. „In summary, it is plausible that MBSR helps to reduce stress levels” (Level 2).
- Psychological distress. Es wurden 8 Studien zur psychischen Belastung ausgewertet. „In summary, it is plausible that MBSR results in a decrease of psychological distress” (Level 2).
- Depression. Es wurden 5 Studien zu Depression ausgewertet. „In summary, it is plausible that MBSR results in decreased levels of depression” (Level 2).
- (Occupational) self-compassion. Es wurde in 3 Studien berufliches Selbst-Mitgefühl durch den Self-Compassion Scale (SCS) gemessen. „In summary, it is plausible that MBSR leads to a significant increase in self-compassion” (Level 2).
- Schlafqualität. Es wurden 3 Studien zur Schlafqualität ausgewertet. „In summary, it is plausible that MBSR gives rise to a significant increase in quality of sleep” (Level 2).
- Entspannung. Es wurden 3 Studien zur Effektgröße Entspannung ausgewertet. “It is plausible that MBSR produces a significant increase in relaxation” (Level 2).
- Angst. Es wurde in 2 Studien Angst gemessen. „It is therefore plausible that MBSR causes a significant decrease in anxiety” (Level 2).
- Beruflicher Stress. Es gab 2 Studien die beruflichen Stress untersuchten. „In summary, it is plausible that MBSR causes a reduction in occupational stress level” (Level 2).
- Life satisfaction. Es gab 8 Studien zur generellen Lebenszufriedenheit. “In summary, there are indications that MBSR leads to an increase in life satisfaction” (Level 3).
- Mood. Es wurden 2 Studien zur Effektgröße Stimmung ausgewertet. „In summary, there are indications that MBSR has a positive effect on mood” (Level 3).
- Effektivität der Emotionsregulation bei der Arbeit. Es gab 2 Studien über die wahrgenommene Selbstwirksamkeit in Bezug auf die Fähigkeit, eigene Emotionen bei der Arbeit zu regulieren. „In summary, it is plausible that MBSR improves efficacy in regulating emotions at work” (Level 3).
- Selbstwirksamkeit/locus of control. Hierzu gab es 2 Studien. “In summary, there are indications that MBSR causes an increase in self-efficacy in general” (Level 3).
- Work engagement. Es lagen 2 Studien zum Arbeitseinsatz vor. „In summary, there are indications that MBSR produces a significant increase in work engagement” (Level 3)
Janssen zieht aus seiner Studie folgendes zusammenfassendes Fazit: “The results of this systematic review suggest that MBSR may help to improve psychological functioning in employees”. (Janssen et al., 2018, S. 1)
Die positive Wirkung von MBSR auf die individuelle Achtsamkeit und auf die psychische Gesundheit ist somit durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt.
Eine besondere Bedeutung hat Achtsamkeit darüber hinaus im Unternehmenskontext bei Führungskräften. Wie eine Studie über die Wirksamkeit eines achtsamkeitsbasierten Führungskräftetrainings bei der Firma Bosch zeigt, bei der es eine Messung vor und nach dem Training gab, waren die Teilnehmer bei einer mittlere Effektstärke von Cohens d = 0,52, nach der Intervention achtsamer als vorher. Auch die Wahrnehmung von Stress hatte sich verändert. Die „gefühlte Belastung und der Stresspegel der Teilnehmer“ nahmen signifikant ab. Die Effektstärke war mit d = 0,45 mittel. Auch die von den Führungskräften wahrgenommene Anspannung verminderte sich signifikant (Cohens d = 0,59). In dieselbe Richtung entwickelte sich auch das Maß des Überdrusses (Tedium Measure). Hier konnte eine signifikante Abnahme bei mittlerer Effektstärke gemessen werden (Cohens d = 0,35). Die Teilnehmer waren außerdem der Meinung, sie besäßen nach der Intervention angemessene Strategien zur Stressbewältigung. Im t-Test für abhängige Stichproben ergab sich ein signifikanter Effekt mit hoher Stärke (Cohens d =0,92). In derselben Studie wurden auch die Faktoren Produktivität und die Konzentration der Führungskräfte untersucht. Es zeigte sich hier ebenfalls eine signifikante Erhöhung bei mittlerer Effektstärke (Cohens d = 0,62). (Martin & Steffens, 2016, S. 370).
Weitergehende Untersuchungen zeigen darüber hinaus dass der Grad der Achtsamkeit bei Führungskräften, Auswirkungen auf die geführten Mitarbeitenden hat. Untersuchungen zeigen einen signifikanten Zusammenhang sowohl auf das Wohlbefinden, als auch auf die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden. Je achtsamer die Führungskraft ist, umso niedriger ist die emotionale Erschöpfung seiner Mitarbeitenden (Korrelation: r=−0.40, p<0.01), bzw. umso höher war die Leistungsfähigkeit seiner Mitarbeitenden (r=0.32, p<0.01). Führungskräfte mit hoher Achtsamkeit waren mit Mitarbeitenden mit hoher Work-Life-Balance (r=0.28, p<0.05) assoziiert. (Reb, Narayanan & Chaturvedi, 2014, S. 39)
Langer & Rowold messen im Rahmen einer randomisierten Studie zur Evaluation des achtsamkeitsbasierten Führungskräftetrainings „Mindful Leadership“, dass sich bei den an der Intervention teilnehmenden Führungskräften nicht nur der Stresslevel vermindert hat, sondern es verbesserte sich auch die Qualität ihres Transformalen Führungsverhaltens. Zudem verringerten sich Merkmale einer destruktiven Führung (Abusive Supervision) wie Beschimpfungen, Kränkungen und Bloßstellen von Mitarbeitenden (May, Schilling & Schyns, 2016, S. 266–267); (Lange & Rowold, 2019, S. 319). In Bezug auf die Wirkung des veränderten Führungsverhaltens auf die geführten Mitarbeitenden wird jedoch nur ein marginal signifikanter, mittlerer Effekt in Bezug auf destruktives Führungsverhalten gemessen. Die Hypothese, wonach es einen Zusammenhang zwischen dem Führungsverhalten und zum Stresslevel der Mitarbeitenden gibt, wurde nicht bestätigt, Lange und Rowold geben dafür keine Erklärung (Lange & Rowold, 2019, S. 328). Die Ergebnisse führten zur Schlussfolgerung, dass das evaluierte Training das Potential hat, die Achtsamkeit der Führungskräfte zu erhöhen, Stress zu reduzieren und ihr Führungsverhalten nachhaltig in Bezug auf transformationale Führung und destruktive Führung (Abusive Supervision) weiterzuentwickeln (Lange & Rowold, 2019, S. 332)
Lange & Rowold nehmen an, dass dieser Effekt auf das Führungsverhalten dadurch zustande kommt, weil erschöpfte Führungskräfte nicht über die Ressourcen verfügen, die ein transformales Führungsverhalten erfordern (Lange & Rowold, 2019, S. 320). Gestresste Führungskräfte neigen außerdem zu unethischem Verhalten und haben eingeschränkte kognitive Kapazitäten, was destruktives Führungsverhalten bzw. abusive Supervision begünstigt. (Lange & Rowold, 2019, S. 323). Schließlich dürfte sich die durch Achtsamkeit erlangten positiven Effekte für die Selbstregulierung (Martin & Steffens, 2016, S. 367), achtsame Kommunikation, Empathie und die über die Haltung von Mitgefühl erlangte Fürsorglichkeit als Ressource bei den Mitarbeitenden auswirken (Lange & Rowold, 2019, S. 324). Außerdem könnte entsprechend der Theorie des sozialen Lernens (Bandura, 1977) das dysfunktionale Stressverhalten von unachtsamen Führungskräften von Mitarbeitenden adaptiert werden, die in ihrem Vorgesetzten ein Vorbild sehen. (Lange & Rowold, 2019, S. 325)
Führungskräfte haben darüber hinaus eine entscheidende Rolle im BGM. Ihr Verhalten hat wie oben beschrieben einen Einfluss auf Wohlbefinden und Gesundheit der Mitarbeitenden und sie spielen darüber hinaus eine Rolle als Multiplikatoren und Promotoren für das BGM. Einbindung und Sensibilisierung bezüglich der eigenen Führungsrolle sind deshalb wichtig“ (Hiendl, 2016, S. 104).
Die eben erläuterten Effekte von Lange et al. beschreiben Wirkungen und wechselseitige Beziehungen von Achtsamkeit auf intrapersonaler, interpersonaler und organisationaler Ebene. Individuelle Achtsamkeit wirkt auf organisationale Größen, beispielsweise die Führungskultur oder das Betriebs- bzw. Teamklima (Iwers & Schulte, 2018, S. 103–104). Solche Effekte belegt auch eine Arbeit der Kalapa Leadership Academy. Im Rahmen einer nicht randomisierten Studie mit 425 Teilnehmenden, aus vier Unternehmen, von denen 44% (Kersemaekers et al., 2018, S. 6) in Führungsfunktion waren zeigten sich bei den Probanden nach Abschluss der Trainings nicht nur signifikante Verbesserungen in Bezug auf die Messgrößen von Burnout (mean difference = 0.3, p < 0.001), wahrgenommenem Stress (mean difference = −0.2, p < 0.001), individueller Achtsamkeit (mean difference = 0.8 nach Mindfulness Attention Awareness Scale (MAAS), p < 0.001) und Wohlbefinden (mean difference = 0.4, p < 0.001) sondern es verbesserten sich auch kollektive Größen, wie die Teamarbeit, signifikant (mean difference = 0.3, p < 0.001). Niedrige bis moderate Effekte wurden beim Team- und Organisationsklima gemessen. (Kersemaekers et al., 2018, S. 1)
In diesem Beitrag wurde gezeigt wie umfangreich, breit und evident die Wirkungen individueller Achtsamkeit im Arbeitskontext sind. Wie die Studienlage zeigt, beschränkt sich die Wirkung nicht nur auf das praktizierende Person bzw. Führungskraft, sondern auch auf andere Mitarbeitende und Teams.
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